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10. November 2015 / by Katja Kläfker

Ein Tag ohne Arbeitsvertrag – Urlaubsanspruch halbiert?

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 2015

Zur Behandlung des Urlaubsanspruchs bei Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses

In Deutschland gibt es einen gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen bei einer 6-Tage-Woche, von der das Gesetz noch immer ausgeht. Für die heute eher übliche 5-Tage-Woche ergeben sich 20 Werktage gesetzlicher Mindesturlaub. Geregelt ist dieser Anspruch in § 13 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Hat man es also mit einem Arbeitsverhältnis zu tun, das sein geraumer Zeit besteht, geregelte Arbeitszeiten hat und auch auf absehbare Zeit nicht beendet wird, ist die Berechnung des Urlaubs nicht besonders herausfordernd.

Urlaub in den ersten sechs Monaten

Beim Antritt einer neuen Stelle kommt allerdings die erste Besonderheit hinzu: Den Anspruch auf den vollen Jahresurlaub erwerben Sie nicht sofort, sondern nach Ablauf von sechs Monaten, § 5 BUrlG. Während dieser Wartezeit sind Sie allerdings nicht “urlaubslos”, sondern erwerben Teilurlaub. Der Umfang dieses Teilurlaubs beträgt 1/12 des späteren Jahresurlaubs für jeden Monat, den das Arbeitsverhältnis besteht. Das bedeutet, dass Sie in der sechsmonatigen Wartezeit – meistens identisch mit der Probezeit – in dem Umfang Urlaub nehmen können, wie Sie diesen Urlaub bereits angesammelt haben.

Ausscheiden in den ersten sechs Monaten

Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Wartezeit beendet, haben Sie also keinen Anspruch auf den vollen Jahresurlaub erworben. Das bedeutet aber nicht, dass der gesammelte Teilurlaub verfällt. Sie haben nach wie vor Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für jeden Monat, den das Arbeitsverhältnis bestand. Kann dieser Urlaub ganz oder teilweise nicht mehr genommen werden, haben Sie einen Anspruch auf Ausgleich in Geld, § 7 Abs. 4 BUrlG.

Das gilt in der Regel auch für den Fall, dass ein neues Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber begründet wird: Sie haben erneut die Wartezeit zum Erwerb des vollen Jahresurlaubs zu erfüllen, erwerben dabei aber Teilurlaub. Scheiden Sie nun aus diesem neuen Arbeitsverhältnis vor Ablauf von sechs Monaten und in der zweiten Jahreshälfte aus, stehen Sie schlechter da als würden beide Arbeitsverhältnis als Einheit gewertet; dann müsste ihr Arbeitgeber den vollen Jahresurlaub gewähren oder ausbezahlen.

Der Fall: Gleicher Arbeitgeber – ein Tag Unterbrechung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nun einen Grenzfall zu entscheiden und durchbrach im Ergebnis diesen Grundsatz. Der Kläger war bei der beklagten Arbeitgeberin seit drei Jahren als Innendienstmitarbeiter im Verkauf beschäftigt. Er kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2012, einem Samstag. Auf Initiative der Arbeitgeberin schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag mit Wirkung zum 02.07.2012, dem darauffolgenden Montag. Das Arbeitsverhältnis war also für einen Tag, den Sonntag, unterbrochen. Kein halbes Jahr später, im Oktober 2012, kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos.

Der Arbeitnehmer verlangte nun Urlaubsabgeltung des gesamten Jahresurlaubs für 2012. Das widerspricht den oben dargestellten Grundsätzen, wonach jedes neue Arbeitsverhältnis – auch eines mit dem alten Arbeitgeber – urlaubsrechtlich eigenständig ist. Nach diesem Grundsatz hätte ihm mangels abgeleister Wartezeit nur ein Anspruch auf den gezwölfteten Jahresurlaub für jeden Monat des neuen Arbeitsverhältnisses zugestanden. Der Kläger argumentierte aber, dass angesichts der nur kurzfristigen Unterbrechung in einer Gesamtschau von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis auszugehen ist.

Das  Urteil

Das BAG folgte dieser Argumentation und entschied zugunsten des Klägers (BAG, Urteil vom 20.10.2015, Az.: 9 AZR 224/14). Zur Begründung führten die Richter aus, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zur Zeit der kurzfristigen Unterbrechung schon festgestanden habe. Der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub folgt aus dem engen sachlichen (und zeitlichen) Zusammenhang. So hatte auch bereits die Vorinstanz, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, entschieden.

Fazit

Das Bundesarbeitsgericht hat mit dem besprochenen Urteil eine Frage geklärt, die bisher umstritten war. Nun steht jedenfalls für kurze Unterbrechungen, bei denen zuvor eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses schon abgesprochen ist, fest: Es beginnt kein neuer urlaubsrechtlicher Zeitraum. Eine neue Wartefrist mit einer Zwölftelung des Urlaubs läuft in diesem Fall also nicht.

Arbeitnehmern in solchen Situationen ist daher (wie häufig) dazu zu raten, Absprachen mit ihren Arbeitgebern schriftlich zu treffen.

Haben Sie Fragen zu dem Thema „Urlaubsanspruch“? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

 

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